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Berit BrockhausenVerlieren Sie das Ziel nicht aus den Augen!


Für Paarberaterin Berit Brockhausen ist der Wunsch nach Harmonie keine Krankheit, sondern eine Stärke

Sie haben einen Beziehungsratgeber für Konfliktscheue geschrieben. Warum?

Weil der Wunsch nach einer harmonischen Beziehung häufig negativ dargestellt wird – als Harmoniesucht. Oder wie eine schlimme Krankheit. Der Wunsch nach Harmonie und Konfliktvermeidung ist aber keine Krankheit, sondern eine Stärke. Man kann den Wunsch nach Harmonie für eine Beziehung wie ein Kompass benutzen: Indem ein Paar sich um ein entspanntes und liebevolles Miteinander bemüht, meistert es die unvermeidlichen Alltagsprobleme. Sei es, dass sie diese umschiffen, wenn das möglich ist. Oder schnell und effektiv angehen, wenn das nötig
ist.

Gut, dann gehen wir jetzt einen Konflikt einmal „Schnell und effektiv“ an, wie Sie sagen. Was ist dafür die wichtigste Regel

Nehmen Sie die eigene Stimmung und die eigenen Bedürfnisse ernst. Allzu viel einfach nur dem Partner zuliebe zu tun, bringt eine Beziehung schnell aus dem Gleichgewicht. Wenn ich müde und ungesprächig bin, tue ich meinem Partner keinen Gefallen, wenn ich mit ihm ins Cafe gehe um endlich in Ruhe zu reden.

Interessanterweise führt der Wunsch nach mehr Harmonie viele Paare in meine Beratung – und als  Grund für die Probleme wird dann die Tatsache angeführt, dass man harmoniesüchtig und konfliktscheu sei. Aber was ist falsch daran, sich  eine Beziehung zu wünschen, die frei von negativen Spannungen ist? Es ist doch großartig, wenn jemand bereit ist, alles dafür zu tun, um Konflikte zu vermeiden. Das sind die besten Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung! Probleme entstehen in meinen Augen erst dann, wenn diese Ziele durch ungeeignete Strategien erreicht werden sollen.

Viele Kommunikationsexperten vertreten nach wie vor die Auffassung, man müsse Konflikte unbedingt austragen. Muss man?

Aber wozu denn! Manchmal ist es für die Harmonie viel besser, eine Störung zu übergehen, als ihr durch ein – vielleicht sogar unglücklich verlaufendes – Problemgespräch zu viel Gewicht zu geben. Aber natürlich reicht das nicht immer. Auch in der liebevollsten Beziehung sind Missklänge nicht zu vermeiden. Denn es ist einfach unmöglich, dass zwei Menschen jederzeit genau das wollen, was zum Wunsch des anderen passt. Außerdem existiert eine Beziehung nicht im luftleeren Raum: Veränderung durch Jobwechsel, Arbeitslosigkeit oder Geburt eines Kindes verändern das Zusammenspiel – und das Paar muss zu einer neuen Harmonie finden. Gut, wenn dafür verschiedene Strategien zur Verfügung stehen!

Welche Strategien gibt es noch, um eine Disharmonie in der Liebe wieder aufzulösen?

Sie können eine Spannung in der Partnerschaft zum Beispiel auch  relativieren, zum Beispiel indem Sie sich sagen, dass die schlechte Laune des anderen nichts mit Ihnen zu tun hat, oder sich schon wieder geben wird. Sie können bewusst die Stimmung zwischen Ihnen verbessern, indem Sie auf das Gute schauen, das es in Ihrer Beziehung ja auch gibt. Oder Sie konzentrieren sich darauf, das Problem zu lösen anstatt sich darum zu streiten, wer schuld an seiner Entstehung ist. All dies sind Strategien, die harmoniebedürftige Menschen intuitiv anwenden. Wenn dadurch die Spannung abnimmt – wunderbar! Die Situation ist gerettet, eine Auseinandersetzung vermieden.

Das ist ja nicht immer der Fall.

Richtig. Deshalb ist es wichtig, die Wirksamkeit solcher Vorgehensweisen zu überprüfen: Nimmt die Spannung nicht ab, sondern sogar zu, weil sich zum Beispiel der Partner nicht ernst genommen fühlt, oder man selbst mehr runterschluckt, als man verdauen kann, dann ist es sinnvoll, die Strategie zu wechseln. In solchen Fällen kann die Spannung nicht stehen bleiben, sondern sie muss angegangen werden.

Dazu gehört für Harmoniebedürftige aber doch eine große Portion Mut.

Das stimmt. Aber vielleicht findet sich der Mut ja leichter, wenn Sie sich bewusst machen, dass es Ihnen um die gemeinsame Harmonie in der Partnerschaft geht. Der andere ist kein Gegner, den Sie bekämpfen sollen, sondern ein Partner, der das gleiche Ziel hat: Es geht nicht darum Stress zu machen, sondern darum, dass Sie sich wieder zusammen wohl fühlen. Und in diesem Wunsch sind Sie Verbündete. Mit dieser Haltung lassen sich Konfliktverhandlungen schnell mit einer tragfähigen Lösung beenden.

Gibt es auch Situationen, bei denen Konflikt unvermeidlich ist? Zum Beispiel, wenn sie sich ein Kind wünscht und er nicht?

Oh ja! Tatsächlich gibt es in jeder Partnerschaft auch unlösbare Probleme. Manchmal finden beide Partner eine Lösung, die dazu führt, dass sie vorübergehend gut mit den unterschiedlichen Ansichten leben können. Sie gleichen dann  zum Beispiel die durch den ungelösten Konflikt entstehende Spannung bewusst durch schöne Momente miteinander aus. Doch wenn es nicht möglich ist, den Frieden mit dieser Situation zu machen zum Beispiel wenn die Frau bereits über 30 ist und unbedingt ein Kind möchte, dann führt die erste Voraussetzung für Harmonie ...

...auf sich selbst hören und die eigene Stimmung ernst nehmen.

Richtig. Die erste Regel für Harmonie führt dann dazu, dass die Frau sich entscheiden muss: Wenn die durch das Aufgeben des Kinderwunsches entstehende Spannung eine harmonische Beziehung in Zukunft unmöglich macht, wird sie sich trennen müssen. Von dem Mann – oder von der Aussicht auf Harmonie.

Klingt dramatisch.

Ist es auch. Aber sich dem Konflikt nicht zu stellen kann noch dramatischere Folgen haben, etwa wenn die beiden sich über Jahre gegenseitig das Leben schwer machen und beide kreuzunglücklich sind. Zum Glück ist so eine Zuspitzung eines unlösbaren Problems ausgesprochen selten. Für die meisten Spannungen, die in der Liebe entstehen, gibt es genug wirkungsvolle Strategien, die es und ermöglichen, das zu leben, wonach wir uns sehnen: Eine liebvolle und harmonische Beziehung.

Wie geht man ein Konfliktgespräch am besten an?

Lassen Sie Anspielungen, spitze Bemerkungen und Beschwerden weg. Sprechen Sie den Partner konkret an: "Ich möchte gemeinsam mit dir eine gute Lösung finden. Wann hast du Zeit, mit mir darüber zu reden?" Er muss darauf nicht freudig eingehen, aber machen Sie deutlich, wie wichtig es Ihnen ist und dass er auch von einer guten Lösung profitiert -  weil Sie wieder liebevoll und offen für ihn sein können. Diese Haltung ist für alle harmoniebedürftigen Menschen wichtig: Verlieren Sie das Ziel nicht aus den Augen! Es geht Ihnen weder um Krawall, noch darum, den anderen zu unterwerfen. Sondern darum, dass Sie beide Ihr Zusammensein wieder genießen können.

 

Berit Brockhausen ist Diplompsychologin und Paar- und Sexualberaterin. Sie berät Paare seit nunmehr 25 Jahren. Außerdem schreibt Sie regelmäßig Kolumnen für die Zeitschrift emotion.

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Homepage von Berit Brockhausen:
www.desafinado.de